A Child of Our Time

Michael Tippett (1905-1998) – A Child of Our Time

Johanna Ihrig (Sopran)
Sophia Greiwe (Alt)
Paul Kmetsch (Tenor)
Lars Conrad (Bass)
Leitung Benedikt Kantert

Peterskirche Leipzig – 10.10.2021 – 19.00 Uhr

Martin-Luther-Kirche Dresden – 23.10.2021 – 19.00 Uhr

Michael Tippett und A Child of Our Time

Michael Tippett, einer der bekanntesten englischen Komponisten der modernen Klassik, sah seine Musik als eine Reaktion auf die globalen Geschehnisse und gab ihnen somit eine kreative Stimme. 

Aufgewachsen in der englischen Grafschaft Suffolk, fand er bereits als Kind den Weg zur Musik. Er hämmerte wild auf den Tasten des heimischen Klaviers und nannte es „komponieren“, was jedoch niemand verstand. Selbst die ersten Kompositionen in seinen zwanziger und dreißiger Jahren verwarf er aufgrund fehlender Originalität und starker Prägung durch linke Ideologien.  

Seinen Durchbruch als Komponist erlebte Michael Tippett 1944 mit der Uraufführung seines bedeutenden Oratoriums A Child of Our Time, das aus seiner politischen Überzeugung während des Zweiten Weltkriegs entstand. Das Werk nahm seinen Ursprung in der Reichskristallnacht am 9. November 1938. Die Nationalsozialisten legitimierten die Ermordung hunderter Juden als Folge des Totschlags eines deutschen Botschaftssekretärs durch einen polnischen Juden. 

Der Komponist Michael Tippett plante sofort die Konzeption von A Child of Our Time, für ihn begann sich das Werk „gemeinsam mit den Schüssen selbst und dem Splittern des Glases in der ‚Kristallnacht‘ zusammenzufügen.“

Die Grundlagen der Komposition legen Händels Messias und die Passionen Bachs, indem Messias Vorbild für die formale Gestaltung und Bach mit seinen musikalischen Formen wie vier- bis achtstimmige Chöre Einzug erhält. Damit gleicht A Child of Our Time einem barocken Oratorium, das jedoch eine besondere Eigenheit aufweist: Anstelle der Choräle stehen fünf Spirituals, die Michael Tippett bewusst so gestaltete, dass die Zuhörer sie mitsingen können würden. 

Der Eingangschor steigt direkt in die düstere Stimmung des Werkes ein. Es ist Winter, und die Kälte der Jahreszeit wird mit dem seelenlosen Zustand der Welt in Verbindung gebracht. Dieses Zusammenspiel wirft die Frage nach dem Verhältnis von Gut und Böse und Vernunft und Irrtum auf, die sich wie ein roter Faden durch das ganze Oratorium zieht. Während der erste Teil von Hoffnungslosigkeit, Verlust und existenzieller Gefährdung mit kurzen Hoffnungsschimmern geprägt ist, handelt der zweite Teil von den Folgen des Attentats. Das Kind unserer Zeit tritt in den verfolgten Juden und den Grausamkeiten der Nationalsozialisten auf die Bühne und bündelt mahnend Michael Tippetts Kritik an den Zuständen der Gesellschaft. Der „Sündenbock“, die von allen Bürgern abgelehnten Juden, findet nirgendwo Zuflucht und wird für alle politischen und gesellschaftlichen Missstände verantwortlich gemacht. Die Bürger werden durch den „Chor der Selbstgerechten“ verkörpert, der in kunstvollen traditionellen Spirituals die Aufnahme und den Schutz aller Juden ablehnt. Fraglich sind im dritten und letzten Teil des Oratoriums letztlich die Konsequenzen, und welche Schlüsse aus den Geschehnissen gezogen werden können. Die Erlösung liegt mit dem Schlüssel der Hoffnung in der Aussicht auf bessere Tage nach den unfassbaren Gräueltaten der Nationalsozialisten. Das Kind unserer Zeit, die Früchte des Nationalsozialismus, würden von Gott überwunden werden. 

Die universelle Gültigkeit von Libretto und Musik heben A Child of Our Time besonders hervor und geben dem Werk eine einzigartige emotionale Kraft.