»Schicksal«

Johannes Brahms (1833-1897) – Schicksalslied op. 54 [Uraufführung 18. Oktober 1871, Karlsruhe]

Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847) – Der 42. Psalm, Wie der Hirsch schreit op. 42; MWV A 15 [Uraufführung 1. Januar 1838, Leipzig]

Ludwig van Beethoven (1770-1827) – Sinfonie Nr. 5 in c, op. 67 [Uraufführung 22. Dezember 1808, Wien]

Peterskirche Leipzig – 03. Juli 2021 – 19 Uhr

Kreuzkirche Dresden – 04. Juli 2021 – 19 Uhr

Konzerteinführung

Johannes Brahms: Schicksalslied op. 54

Nach der Uraufführung der finalen Fassung seines Deutschen Requiem am Leipziger Gewandhaus widmete sich Johannes Brahms erneut der Komposition von Werken für Chor und Orchester. Dazu zählte auch das 1871 unter seiner eigenen Leitung in Karlsruhe uraufgeführte Schicksalslied, in dem der Komponist auf ein Gedicht Friedrich Hölderlins zurückgriff. In diesem stehen sich die Welt der Götter und jene der Menschen in ihrer Unvereinbarkeit gegenüber: Während die Bewohner der ersten sich an „schicksalslosem‟ Glück erfreuen, werden die Erdenbewohner „blindlings‟ von unsichtbaren Mächten gelenkt und gepeinigt. Brahms übernahm diese Zweiteilung in seine Komposition, ersetzte den finalen Fatalismus aber mit seiner eigenen hoffnungsvollen Perspektive. Das Orchestervorspiel weist den Weg in die Welt der Götter „droben im Licht‟. Der Chor beginnt in warme Klänge gehüllt, von sanften Pizzicati und Arpeggien der Streichinstrumente begleitet. Doch schon hier solidarisiert sich die Musik mit den leidenden Menschen und nimmt deren Perspektive ein: „Sehnsuchtsvoll‟ lautet die Vortragsbezeichnung und ein pochendes Pauken-Ostinato gemahnt an die Verhängnisse des irdischen Schicksals. In jene Menschenwelt – in der düsteren Paralleltonart c-Moll gezeichnet – stürzt dann die dritte Strophe. Sie wird wiederholt, wie um eingehämmert zu werden. Wilde Streicherfiguren peitschen auf, Dissonanzen prallen hart gegeneinander. Wenn die Menschen „wie Wasser von Klippe zu Klippe geworfen‟ werden, reißt die Musik auch die Hörenden aus dem Takt. Nach letzten gepeinigten Aufschreien erlischt das Geschehen, sinkt „ins Ungewisse hinab‟. Der Chor verstummt. Doch plötzlich scheint ein leuchtendes C-Dur, die Soloflöte greift die Eingangsmelodik auf. Hier geht Brahms über das Gedicht hinaus. Zwar komponiert auch er keine erlösende Verschmelzung der Welten des Göttlichen und des Menschlichen, aber doch die im wahrsten Sinne des Wortes stumme Hoffnung auf eine kommende Versöhnung. Wie auch in seinem Requiem liegt nach all den Wirren, die der Mensch als Launen eines übermächtigen Schicksals empfinden mag, in dieser Hoffnung wahrer Trost.

Niklas Schächner

Mendelssohn

Nach der Uraufführung der finalen Fassung seines Deutschen Requiem am Leipziger Gewandhaus widmete sich Johannes Brahms erneut der Komposition von Werken für Chor und Orchester. Dazu zählte auch das 1871 unter seiner eigenen Leitung in Karlsruhe uraufgeführte Schicksalslied, in dem der Komponist auf ein Gedicht Friedrich Hölderlins zurückgriff. In diesem stehen sich die Welt der Götter und jene der Menschen in ihrer Unvereinbarkeit gegenüber: Während die Bewohner der ersten sich an „schicksalslosem‟ Glück erfreuen, werden die Erdenbewohner „blindlings‟ von unsichtbaren Mächten gelenkt und gepeinigt. Brahms übernahm diese Zweiteilung in seine Komposition, ersetzte den finalen Fatalismus aber mit seiner eigenen hoffnungsvollen Perspektive. Das Orchestervorspiel weist den Weg in die Welt der Götter „droben im Licht‟. Der Chor beginnt in warme Klänge gehüllt, von sanften Pizzicati und Arpeggien der Streichinstrumente begleitet. Doch schon hier solidarisiert sich die Musik mit den leidenden Menschen und nimmt deren Perspektive ein: „Sehnsuchtsvoll‟ lautet die Vortragsbezeichnung und ein pochendes Pauken-Ostinato gemahnt an die Verhängnisse des irdischen Schicksals. In jene Menschenwelt – in der düsteren Paralleltonart c-Moll gezeichnet – stürzt dann die dritte Strophe. Sie wird wiederholt, wie um eingehämmert zu werden. Wilde Streicherfiguren peitschen auf, Dissonanzen prallen hart gegeneinander. Wenn die Menschen „wie Wasser von Klippe zu Klippe geworfen‟ werden, reißt die Musik auch die Hörenden aus dem Takt. Nach letzten gepeinigten Aufschreien erlischt das Geschehen, sinkt „ins Ungewisse hinab‟. Der Chor verstummt. Doch plötzlich scheint ein leuchtendes C-Dur, die Soloflöte greift die Eingangsmelodik auf. Hier geht Brahms über das Gedicht hinaus. Zwar komponiert auch er keine erlösende Verschmelzung der Welten des Göttlichen und des Menschlichen, aber doch die im wahrsten Sinne des Wortes stumme Hoffnung auf eine kommende Versöhnung. Wie auch in seinem Requiem liegt nach all den Wirren, die der Mensch als Launen eines übermächtigen Schicksals empfinden mag, in dieser Hoffnung wahrer Trost.

Niklas Schächner

Ludwig van Beethoven: Sinfonie Nr. 5 c-Moll op. 67

Vier Töne sind es, die ausreichen für den wohl ikonischsten Sinfoniebeginn der Musikgeschichte. Ein musikalisches Zeichen, das sich längst losgelöst hat von seinem Kontext, das zu etwas Eigenständigem geworden ist: zu einem Bild, zum Schicksalssymbol schlechthin. Es ist Ausgangspunkt, Keimzelle und Baustein einer Erzählung des Weges „durch Nacht zum Licht‟. Musikalisch ausgedrückt: von c-Moll nach C-Dur. Eine Erzählung, die so wirkungsmächtig ist, dass sie die Gestalt und den Anspruch der Sinfonik überhaupt entscheidend verändert hat. Nicht nur, dass das „Klopfmotiv‟ eine Entwicklung anstößt, die von Anfang an hin auf den triumphalen Moment der Finaleruption konzipiert ist. Nein, der im wahrsten Sinne des Wortes mit Pauken und Trompeten hereinbrechende Höhe- und Zielpunkt zu Beginn des vierten Satzes wird sogar nahtlos aus dem dritten Satz erreicht – fällt den vorhergehenden Turbulenzen quasi ins Wort, löst und erlöst die Musik gleichzeitig. Eine Sinfonie so als einen beschwerlichen Weg hin zu einem (meist triumphalen) Ende zu erzählen, an diesem Vorbild sollten sich die nachfolgenden komponierenden Generationen orientieren und abarbeiten. Zu Beginn steht also ein einfaches Motiv im Streichertutti –„mit Feuer‟ –, dessen rhythmische Kraft sich zwar immer wieder in Fermaten staut, dann aber sofort losreißt und das Geschehen atemlos vorantreibt. Aus dem so simplen thematischen Material gewinnt Beethoven den gesamten Satz, spaltet Partikel ab und lässt sie zu Grundpfeilern neuer Gestalten werden. Alles ist durchdrungen von der stets nach vorne gerichteten rhythmischen Energie. Eine einzige kleine Kadenz, frei von der Oboe vorgetragen, öffnet den Raum für ein kurzes Innehalten, dann prescht die Musik weiter bis zum Schluss. Das folgende Andante zeichnet den lyrischen Gegensatz: Ein kantables Thema, in zumeist heiterbehaglichen Variationen verarbeitet. Doch mit dramatischer Geste fährt auch hier immer wieder ein majestätisch-triumphaler Gestus dazwischen – bereits eine Verheißung des finalen Jubels. Düster grummelnd beginnt der dritte Satz in den tiefen Streichinstrumenten. Die Musik ist wieder zurück in cMoll – dort, wo sie sich zu Beginn der Sinfonie befand. Von hier nimmt nun die finale Entwicklung ihren Lauf. Dramatisches kündigen die Hörner an, die mit Fanfaren in das Geschehen einbrechen. Ein wildes Fugato erstirbt nach kurzer Zeit, alles verharrt in düsterer Ziellosigkeit. Doch nun, wie aus heiterem Himmel, das rettende Finale: Verstärkt um Piccoloflöte, Kontrafagott und Posaunen setzt das Orchester zur denkbar größten Triumphgeste an. In beinahe nicht enden wollender Feierlichkeit wird das majestätische C-Dur im strahlenden Blech gefestigt. Besondere Bedeutung erhält überraschenderweise die Hornfanfare des dritten Satzes, die in zarterer Form noch einmal aufgegriffen wird, bevor die große Schlussapotheose das Geschehen ins Unendliche verklärt. 

Niklas Schächner

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